Mit knapp 800 Seiten ist dieses Buch kein Leichtgewicht – auch nicht vom Inhalt her🪨. Aber wer sich davon begeistern lassen will, wie lebendig man durch wissenschaftliche Methoden, gerade der Archäologie, die Wirklichkeit von vor knapp 2.000 Jahren wieder aufleben lassen kann, sollte definitiv einen Versuch wagen 🤯. Einer der renommiertesten Experten auf diesem Gebiet, Neil Price, übersetzt von Ursula Blank-Sangmeister, legt hier eine echte Landkarte der äußeren und inneren Lebenswelt der Menschen dar, die wir Wikinger nennen.

„Vor allem eine Vorstellung war für die Beziehung zwischen den Göttern und der menschlichen Welt zentral und betraf auch das Leben ihrer anderen übernatürlichen Bewohner: die Idee des Schicksals. Dass das Schicksal für sämtliche Wesen – sterbliche und göttliche, lebende und tote – vorherbestimmt war, stand im Mittelpunkt des nordischen Denkens. Für die Skandinavier der Wikingerzeit war Schicksal nicht das Fehlen von Wahlmöglichkeiten, sondern vielmehr die Manifestation einer präexistenten Wahrheit. Es gab zwar den freien Willen, aber sobald man ihn ausübte, wurde man zwangsläufig zu der Person, die man in Wirklichkeit immer gewesen war.“

Es gibt einen Abschnitt relativ am Anfang, in dem es extrem ausführlich um Beerdigungspraktiken geht, bei dem ich fast aufgegeben habe. Zum Glück habe ich mich getraut, einfach diesen Teil zu überspringen, und ab da hat mich das Buch wirklich gefesselt. ⚔️ Wie abstoßend brutal diese Zeit war – aber wie inspirierend metaphysisch und tolerant zur gleichen Zeit 🧭. Ich bin tief fasziniert von der nordischen Kultur und Geschichte und kann dank dieses Buches nun besser unterscheiden, was Wirklichkeit und was schlichte, stereotype Fantasie der Popkultur ist, wenn man über die Wikinger redet.

“Jenseits der Stereotypen war die Wikingerzeit (und nicht nur in Skandinavien) eine Zeit entsetzlicher Gewalt und ebenso schrecklicher Strukturen institutionalisierter, patriarchalischer Unterdrückung. […] Dieselbe Wikingerzeit war auch eine Zeit der gesellschaftlichen Innovation, eine lebendige und multikulturelle Zeit, mit einer beträchtlichen Toleranz gegenüber radikalen Ideen und fremden Religionen. Es war eine Zeit blühender Künste, in der man ausdrücklich akzeptierte, dass Reisen und kulturelle Begegnungen den eigenen Horizont erweiterten. […] Die Werte, die sie am meisten schätzten, waren nicht nur die im Krieg geschmiedeten, sie zeichneten sich auch – wie es in der Poesie deutlich zum Ausdruck kommt – durch tiefe Weisheit, Großzügigkeit und Reflexion aus.”

Wer es nicht so mit Sachbüchern und Geschichte hat, sollte hier wohl nur dann zugreifen, wenn man sich auch mal das ein oder andere Kapitel erlaubt, zu überspringen. Ansonsten wärmste Empfehlung! 🔥

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